Die Oranienbaumer Heide
Naturraum
Im Osten Sachsen-Anhalts befindet sich zwischen Dessau-Roßlau, Oranienbaum und Möhlau die „Oranienbaumer Heide“. Sie liegt im Grenzbereich zweier Großlandschaften, die ursächlich für die floristische Vielfalt des Gebietes sind. Die nördlichen und mittleren Bereiche werden bestimmt durch die fluviatil geprägten Sedimente des Elbeurstromtals. Sie gehören zum „Oranienbaumer Talsandgebiet“ des Elbe-Elster-Tieflandes und bestehen aus aufgeschotterten Niederterrassen der Elbe und Mulde, welche durch nährstoffarme Sande charakterisiert sind. Der Süden der Oranienbaumer Heide wird gebildet durch die „Gräfenhainichen-Söllichauer-Platte“ und zählt zur „Dahlen-Dübener Heide“ des nordsächsischen Heidelandes. Grundmoränen und Reste eines Endmoränenzuges prägen durch ihre mit Geschiebemergel unterlagerten Bändersande die Landschaft.
Die Arten- und Lebensraumvielfalt der Oranienbaumer Heide liegt begründet im kleinräumigen Mosaik der verschiedenen geologischen und pedologischen Standortverhältnisse. Die großräumigen Pufferzonen zu den angrenzenden, intensiver genutzten Gebieten und der langjährige, militärische Übungsbetrieb sind ebenfalls als Gründe anzuführen.
Nutzungsgeschichte
Die Oranienbaumer Heide unterlag in ihrer Geschichte einer vielfältigen Nutzung. Bis zum 18. Jahrhundert wurde Brenn- und Bauholz gewonnen, Streu entnommen und gejagt. Gebietsweise ist sogar die Nutzung als Hutewald belegt, sowie die Haltung von Rot- und Damwild in Gattern. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Nutzungsänderung und das Gebiet wurde großflächig in Kiefernforste umgewandelt.
Ab 1945 richteten die sowjetischen Truppen einen Übungsplatz in der Oranienbaumer Heide ein. Um Raum zu schaffen für einen Schießplatz für Schützenwaffen, kleinkalibrige Artillerie und Panzerfahrbetrieb wurden bis 1964 etwa 1000 ha Freifläche durch Abholzung und Brand geschaffen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre erweiterte man die Fläche des Übungsplatzes auf 2.500 ha und zu den bestehenden baulichen Anlagen kamen Tanklager, Schießbahnen und Schießhäuser. 1970 umfasste der Truppenübungsplatz eine Größe von ca. 4000 ha.
1992 verließen die sowjetischen Truppen die Oranienbaumer Heide und hinterließen große Offenlandbereiche, innerhalb derer nahezu gehölzfreie Sand-Heide-Biotope und eine Vielzahl offener Bodenstellen durch den zuvor durchgeführten Übungsbetrieb entstanden waren.
Naturschutzfachliche Bedeutung
Die Oranienbaumer Heide zählt zu den biotop- und artenreichsten Gebieten Sachsen-Anhalts. Im zentralen Bereich, der etwa 1.200 ha umfasst, prägt ein dicht verzahntes Netz aus wertvollen Lebensraumtypen, zu denen die trockenen europäischen Heiden, die basenreichen Sandrasen, die Silbergraspionierfluren und die Sandheiden auf Binnendünen gehören, die Landschaft. Diese Lebensraumtypen sind wiederum verzahnt mit Landreitgras-Fluren, Gras-Krautfluren, thermophilen Säumen, Gebüschstrukturen und Pionierwaldstadien.
Für das gesamte Gebiet konnten bisher über 800 Pflanzenarten nachgewiesen werden. Viele sind Bestandteil der Roten Liste Sachsen-Anhalts, Deutschlands, sowie der Bundesartenschutzverordnung. Auch faunistisch ist die Oranienbaumer Heide durch eine große Vielfalt geprägt. Stellvertretend seien hier Wiedehopf, Heidelerche und Ziegenmelker als wertgebende Vogelarten genannt.
Um die wertvollen Lebensräume und deren Arten langfristig zu sichern, wurde das Gebiet in großen Teilen als Naturschutzgebiet ausgewiesen, später in leicht abweichenden Außengrenzen auch als FFH- und SPA-Gebiet. Zusätzlich liegt die Oranienbaumer Heide zum Teil im Biosphärenreservat „Mittelelbe“. Mit einer Fläche von 2.114 ha ist sie 2012 in das Eigentum der DBU Naturerbe GmbH übergegangen.
Gefährdung
Durch die Nutzungsaufgabe des Truppenübungsplatzes blieb die Heide bis 2008 sich selbst überlassen. Dies führte zu einer fortschreitenden Verbuschung der Offenlandlebensräume mit Birke, Zitter-Pappel und Kiefer, einer Vergrasung mit Land-Reitgras, sowie zu einer teilweisen Ruderalisierung und damit insgesamt zu einer Gefährdung der FFH-Offenlandlebensräume. Die Reduzierung der offenen Bodenstellen erschwert, bedingt durch die fortschreitende Sukzession, die Keimung der Besenheide und weiterer lichtbedürftiger, konkurrenzschwacher Arten.
Weitere Probleme sind die Verbreitung der neophytischen Spätblühenden Traubenkirsche und die Überalterungs- und Vergreisungserscheinungen der Besenheidebestände.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, wurde 2008 mit wissenschaftlicher Unterstützung durch die Hochschule Anhalt die Einrichtung einer Ganzjahresstandweide mit Heckrindern und Koniks begonnen, welche zu diesem Zeitpunkt eine Größe von 122 ha betrug. Bis 2013 wurde die Weidefläche schrittweise auf nun ca. 800 ha erweitert.
Die Weidetiere sollen als Landschaftspfleger der Verbuschung- und Vergrasung, sowie der Überalterung der Besenheide entgegenwirken. Um ihr Weideverhalten zu unterstützen, wurde die Oranienbaumer Heide zusätzlich in großen Teilen der Weidefläche entbuscht, sowie kleinere Heidebestände gemäht und einer Nutzung zum Bau von Reetdächern zugeführt.